Das Spiel zwischen Distanz und Nähe
Vor kurzem sagte eine Freundin, dass sie froh ist, Single zu sein. Sie möchte nicht in einer Partnerschaft verschmelzen und nur noch ein „Wir“ sein. Sie möchte als Individuum gesehen werden. Doch muss eine Beziehung so sein? Wäre es nicht eher fatal, wenn beide Partner*innen miteinander verschmelzen - nur noch einen Freundeskreis haben, nur noch gemeinsam den gleichen Hobbys nachgehen und immer einer Meinung sind? Tatsächlich gibt es ja auch das andere Extrem: Paare, die nicht mal zusammenwohnen, weil jede*r seinen/ihren Bereich für sich braucht. Es gilt also herauszufinden, wie viel Nähe und Distanz jede*r braucht. Und das kann sich ja mitunter auch von Zeit zu Zeit ändern.Wer sich anfangs noch tagtäglich engumschlungen in den Armen liegt, kann nach fünf oder zehn Jahren ein anderes Bedürfnis nach Nähe haben.
In meiner zehnjährigen Beziehung gab es Phasen der innigen Liebe, Phasen der tiefen Freundschaft und auch Phasen für größeren Freiraum. Immer wieder gilt es, in sich selbst hineinzufühlen und über das eigene Näheempfinden zu sprechen. Dabei halte ich es für sehr gesund, wenn jede*r in einer Partnerschaft Dinge ohne den anderen macht, unterschiedliche Freundschaften pflegt und sich nicht komplett vom anderen abhängig macht.
Wenn andere mich fragen, was das Geheimnis meiner glücklichen langjährigen Beziehung ist, sage ich: weil wir nebeneinander und aneinander wachsen. Wir entwickeln uns weiter. Dabei sind wir nicht immer gleichauf. Mal ist mein Mann total engagiert, motiviert und aktiv bei einer Sache dabei und ich weiß noch gar nicht, ob ich mich dafür interessiere. Dann hole ich auf, wir beide gehen dem neuen Thema oder Hobby intensiv zusammen nach. Bis sich wieder ein anderer Lebensbereich zeigt, in dem ich oder er anders denkt und fühlt, und sich das Potenzial zur Weiterentwicklung zeigt.
Eine Beziehung ist geprägt von einem Wechsel von Nähe und Distanz. Am Ende gilt es, sich selbst und den anderen nicht aus dem Blick zu verlieren.
Sabrina Böhm